„Ich möchte in meiner ersten Enzyklika von der Liebe sprechen, mit der Gott und beschenkt und von uns weitergegeben werden soll.“ (Nr. 1)

Können wir schenken, was wir nicht besitzen? Wir können die Liebe Gottes nicht mit unseren Brüden und Schwestern teilen, wenn wir Gott nicht erlaubt haben, seine Liebe an uns zu verschwenden.

Gott ist ein Gentlemen. Er zwingt uns seine Liebe nicht auf. Er wartet bis wir in aller Freiheit unser Ja geben. Erst dann wir er unsere Herzen mit Liebe überfluten. Doch dieses Ja zu geben ist weitaus anspruchsvoller als wir meinen. Von klein auf sind wir erzogen worden, die Emotionen unseres Herzens zu verbergen, sie zu verwischen. Wir wurden gemaßregelt, verwundet von unserer zur Selbstverherrlichung neigenden westlichen Gesellschaft. Daher ist es für wahrhaftig herausfordernd, die Türen unseres Herzens zu öffnen. Haben wir nicht Angst von Gott und unseren Liebsten nackt dazustehen? Haben wir nicht Angst, dass Gott nicht wirklich Liebe sein könnte?

Hab keine Angst! Schau auf Christus dessen vollkommene Liebe „alle Furcht vertreibt.“ (1 Joh 4,18) Das gesamt Leben und Wirken Jesu Christi in ein augenscheinliches Zeugnis dafür, dass Gott die Liebe ist. Sein Leben sagt uns nämlich: „Du glaubst nicht, dass Gott dich liebt? Ich werde den Himmel durchqueren, um dir zu zeigen, dass Gott dich liebt. Ich werde mein Blut bis auf den letzten Tropfen vergießen, um dir zu zeigen, dass Gott dich liebt. Ich bin nicht gekommen, um dich zu bestrafen oder zu verurteilen, sondern dich mit ewigem Leben zu belohnen. Es ist alles gut. Du bist bei mir in Sicherheit. Ich werde alle Schritte deines irdischen Daseins begleiten. Vertrau auf mich. Du kannst alle Masken in meiner Gegenwart fallen lassen. Du kannst nackt vor mir stehen ohne Scham. Ich sehe dich und ich liebe dich. Bei mir findest du ruhe. Empfange meine Liebe, bleibe in ihr und lass meine Liebe in dir auf andere Überfließen indem du sie leibst wie ich sie geliebt habe.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass unsere zwischenmenschliche Liebe immer Ausdruck der „göttlichen Liebe“ zu uns sein sollte. Diese göttliche Form der Liebe wird wie folgt charakterisiert:

Frei, bedingungslos, treu und lebensspendend.

  1. Die Liebe Gottes ist frei

Jesus Christus gibt seinen Leib freiwillig hin. „Niemand entreißt mir mein Leben, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin“ (Joh 10,18). So darf ich mich fragen: bin ich bereit mein persönliches Beziehungsleben mit der Opferbereitschaft Jesus Christi füllen zu lassen? Oder ist Liebe für mich nur an Gefühle und sinnliche Reize gebunden? Das Gefühl mag eine großartige Initialzündung sein, aber das Ganze der Liebe ist es nicht. Gefühle sind unbeständig und sie versiegen oftmals genauso schnell wie sie wachsen. Daran begreifen wir, wie oberflächlich Liebe ist, wenn wir sie nur auf ein Gefühl reduzieren. Gefühle und Emotionen sind die verheißungsvollen „Rohstoffe“ der Liebe. Doch Gefühle und Emotionen müssen durch eine angemessene kreative Aktivität des Willens geformt werden. Bedeutet das nun, dass wir den Regungen unseres Herzens misstrauen sollten? Nein! Das soll nur heißen, dass wir die Beherrschung darüber behalten sollten.

  1. Die Liebe Gottes ist bedingungslos

Jesus schenkt sich uns ohne Sicherheitsnetze, Einschränkungen oder Hintertürchen. „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zu Vollendung“ (Joh, 13,1). Papst Benedikt XVI weist uns darauf hin, dass die menschliche Liebe (Eros) einem Prozess der Reinigung und der Reifung unterliegt. Deshalb ist Liebe niemals fertig und vollendet; sie wandelt sich im Lauf des Lebens und reift. Wenn wir jedoch in der Selbstbeherrschung wachsen, werden wir als Frucht hieraus unser erotisches Verlangen zur wahren, schönen und guten Sexualität lenken. Wir beginnen das Mysterium der Sexualität zunehmend in ihrer ganzen Bandbreite zu verstehen und zu erfahren. Ein Vorgeschmack der vollendeten Liebe, mit der Gott uns liebt.

  1. Die Liebe Gottes ist treu

Die ganze Heilige Schrift ist ein einziges Zeugnis der Treue Gottes zu uns Menschen. „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20), untermauert eindrücklich diesen wunderbaren göttlichen Treuebund. Gewiss hast Du Dich schon einmal gefragt, was für es für Dich bedeuteten würde, Deinem Freund, deiner Freundin, dauerhafte Treue zu schenken. Eine Entscheidung ich liebe Dich für immer und ewig. Unabhängig davon, ob Deine Schönheit unter Deinen voranschreitenden Jahren leidet oder ein attraktiverer Mensch am Horizont auftaucht. Um der Liebe gerecht zu werden bedarf es Deiner 100-prozentigen Entscheidung für diesen Menschen.

  1. Die Liebe Gottes ist lebensspendend

Jesus gibt seinen Leib fruchtbar hin. „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Christus liebt die Kirche und damit uns alle ohne Einschränkungen. Die Frucht des ewigen Liebesaustausches zwischen Gott Vater und Gott Sohn ist der Heilige Geist. Und Gott hat uns alle dazu auserkoren an dieser einzigartigen Form wirklicher Liebe teilzuhaben. Unsere Liebesbeziehungen sind dazu berufen, als Abglanz der göttlichen Liebe fruchtbar zu werden.

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